Ohrrekonstruktion
Weil eine Fehlbildung der Ohrmuschel sofort ins Auge fällt, kann sie als sehr belastend erlebt werden. Bei vielen Betroffenen leidet das Selbstwertgefühl und steht einem unbeschwerten Umgang mit anderen Menschen im Weg. Das kann man in allen Altersgruppen feststellen. Auf der anderen Seite gibt es viele Betroffene, auf die das nicht zutrifft und die daher keine Ohrmuschelrekonstruktion wünschen. Diese unterschiedliche persönliche Wahrnehmung ist für uns ein zentraler Bestandteil der Beratungsgespräche.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der bei der Ohrrekonstruktion eine Rolle spielt, ist das Alter. Findet die Rekonstruktion statt, bevor ein Kind sich der eigenen Fehlbildung bewusst wird? Oder erst, wenn das Kind schon reifer ist und sich bereits eine eigene Meinung gebildet hat, die in die Entscheidung für oder gegen eine Ohrrekonstruktion einfließt. Im Rahmen einer Sprechstunde wird auch darüber ausführlich gesprochen. Außerdem informieren wir Sie über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Behandlungsmethoden. So möchten wir jede Patientin und jeden Patienten in die Lage versetzten, sich ganz bewusst und persönlich entscheiden zu können.
Ohrrekonstruktion aus 3D SuPor®
Ein außergewöhnliches und einzigartiges Verfahren ist die Ohrmuschelrekonstruktion aus 3D SuPor®. Dabei verwenden wir ein individuelles, realistisches 3-dimensionales biokompatibles Kunststoffgerüst aus Polyethylen, das die eigene Anatomie des Patienten widerspiegelt. Es wurde unter dem Namen „3D Lewin Ear“ bzw. „PIER „bekannt. Dieses Gerüst wird in einen sogenannten „Faszienlappen“ eingehüllt. Als Faszie bezeichnet man eine Gewebeschicht der Kopfhaut, die durch eigene Gefäße mit Blut versorgt wird. Das umhüllte Polyethylengerüst wird mit Hauttransplantaten vom zweiten Ohr oder vom Oberarm bedeckt.
Ein Vorteil dieser Methode: Es ist nur eine Operation nötig und die Entnahme von Rippenknorpel entfällt. Die Abtastung des gesunden Ohres mit einem Laserscanner und der individuelle Fertigungsprozeß des 3D SuPor® Ohres ermöglicht die Nachbildung der komplexen und feinen Anatomie des menschlichen Ohres in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Diese Operation kann ab einem Alter von vier bis sechs Jahren durchgeführt werden.
Ohrrekonstruktion aus Rippenknorpel
Bei der Ohrmuschelrekonstruktion aus Rippenknorpel wird ausschließlich körpereigenes Material verwendet. Die Methode ist seit Jahrzehnten etabliert und umfasst zwei Operationen im Abstand von drei Monaten. Bei Kindern können diese Operationen ab einem Alter von acht bis zehn Jahren durchgeführt werden.
Bei der ersten Operation wird Rippenknorpel entnommen. Dauerhafte Schmerzen oder Verformungen des Brustkorbes als Folge des Eingriffs sind selten. Aus dem entnommenen Knorpel wird dann das dreidimensionale Ohrmuschelgerüst angefertigt. Als Vorlage dient, wenn vorhanden, das zweite Ohr. Für das Ohrmuschelgerüst wird eine Hauttasche präpariert. Hierbei wird der untere Teil der vorhandenen fehlgebildeten Ohrmuschel als neues Ohrläppchen genutzt. Das Gerüst wird in die vorbereitete Tasche eingeführt. Durch Sog legt sich die vorhandene Haut darüber. Diese erste Operation dauert insgesamt etwa vier bis fünf Stunden.
In der zweiten Operation wird die Falte hinter dem Ohr ausgebildet. Hierzu wird die Ohrmuschel vom Untergrund abgelöst und der Bereich mit transplantierter Haut bedeckt. Diese stammt zum Beispiel vom Oberarm oder vom Bauch. Ein fester Verband sichert fünf Tage lang das Transplantat. Die zweite Operation dauert insgesamt etwa zwei Stunden.
Ohrrekonstruktion bei geringer Fehlbildung
Wenn die Ohrmuschel grundsätzlich vorhanden ist und nur eine fehlerhafte Ausformung hat oder geringe Defekte aufweist, kann sie allein durch Umformung rekonstruiert werden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Korrektur abstehender Ohren. Weisen die Ohren Substanzdefekte auf, wie beispielsweise bei gering ausgebildeten Tassenohren, können auch kleine lokale Haut- und Knorpeltransplantate zum Einsatz kommen.
Epithese
Als Epithese bezeichnet man eine künstliche Ohrmuschel. Die fehlende Ohrmuschel wird als Ganzes aus Silikon nachgebildet und per Magnet am Schädel befestigt. Die Magnete werden unter kurzer Narkose im Schädelknochen verankert.
Die Epithese selbst wird von einem externen Epithetiker angefertigt, mit dem wir eng zusammenarbeiten.
Die Vorteile dieser Methode liegen in dem geringen operativen Aufwand und in dem originalgetreuen Aussehen des Silikonohres. Dafür bleibt so ein künstliches Ohr ein Fremdköper. Zudem durchdringen die Magnetanker die Haut. Hauptsächlich wenden wir diese Methode an, um erworbene Ohrmuscheldefekte durch Tumore, Verletzungen oder fehlgeschlagene Ohrmuschelrekonstruktionen zu behandeln.
Zukunftsperspektiven
Die Forschung beschäftigt sich intensiv mit Ohrmuscheln aus gezüchtetem Knorpel. Es gibt bereits vielversprechende Ansätze. Vom allgemeinen klinischen Einsatz am Patienten sind sie jedoch noch weit entfernt.